Rechtsanwalt und Mietrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

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Beleidigungen gegenüber Mitmietern oder dem Vermieter

vom 26. September 2016

Beleidigungen sind Straftaten und damit zugleich Vertragsverletzungen. Die Vertragsverletzungen berechtigen allerdings nur dann zur Kündigung, wenn sie so schwer wiegen, dass dem anderen Teil die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Eine Beleidigung muss also eine derart schwerwiegende Vertragsverletzung darstellen, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dies ist im Einzelfall festzustellen.

Auf den Einzelfall bezogen ist festzustellen, ob die Beleidigung eine fristlose Kündigung gemäß den §§ 543, 569 BGB, eine ordentliche Kündigung nach § 573 BGB oder nur eine Abmahnung rechtfertigt.

Beleidigungen und Tätlichkeiten gegenüber Mitmietern

Das Landgericht Coburg führte zu einer Beleidigung gegenüber einem Mitmieter in einem Urteil vom 17. November 2008 (32 S 85/08) aus, dass jedenfalls Beleidigungen wie „Fotze“, „russische Schlampe“, „russisches Schwein“, … (zumindest) eine ordentliche Kündigung ohne eine vorherige Abmahnung rechtfertigen können:

…
[23] Die Zeugen … haben den Vorwurf bestätigt, dass die Beklagte zu 1) grobe diskriminierende Beleidigungen von sich gegeben hat wie Fotze, russische Schlampe, russisches Schwein, ihr (die Mieter russischer Herkunft) seid asozial und sitzt hier auf unsere Kosten, sie (die russischen Mieter) sollen zurück nach Kasachstan. Diese Beleidigungen sind vor und nach der Kündigung gefallen. Das Gericht schließt dies aus der Beweisaufnahme und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung. Diese derben Beleidigungen berechtigten die Klägerin zumindest die ordentliche Kündigung auszusprechen, ohne eine Abmahnung. Im Übrigen ließ sich, das hat die Beweisaufnahme ergeben, die Beklagte zu 1) durch die Vorwürfe in dem Kündigungsschreiben nicht davon abhalten, ihre Beleidigungen fortzusetzen.
…

Das Amtsgericht München stellte mit Urteil vom 9. Oktober 2013 (472 C 7153/13) bei einer Beleidigung gegenüber einem Mitmieter fest, dass eine bedrohliche Geste gegenüber einem Mitmieter mit einer Beleidigung eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung begründen kann:

…
b) Das Verhalten der Beklagten stellt gleich in mehrfacher Hinsicht eine Vertragsverletzung war. So war der Hund nicht angeleint, was jedoch aus Sicht des Gerichts die geringfügigste Vertragsverletzung darstellt. Eine schwerwiegende Vertragsverletzung ist zum einen die Beleidigung des Zeugen als Rechtsradikalen sowie der Schlag mit dem Stock in Richtung des Kopfes des Zeugen. Wenngleich der Schlag den Zeugen nicht getroffen hat und das Gericht davon ausgeht, dass dies von der Beklagten auch so beabsichtigt war, so handelt es sich doch um eine bedrohliche Geste zum Nachteil eines Mitmieters, der im Nachbarhaus der gleichen Wohnanlage wohnt.
…

Beleidigungen gegenüber dem Vermieter

Was für Beleidigungen gegenüber einem Mitmieter gilt, gilt auch für Beleidigungen gegenüber dem Vermieter (vgl. z. B. Urteil des LG Potsdam vom 17. August 2011, 4 S 193/10).

Je nach den Umständen des Einzelfalls kann allerdings eine fristlose Kündigung wegen einer Beleidigung nicht gerechtfertigt sein. Zuvor kann ggf. eine Abmahnung erforderlich sein (vgl. dazu z. B: LG MÜnchen vom 20. Januar 2016, 14 S 16950/15, 1. und 2. Leitsatz):

Leitsätze:

1. Die Beleidigung eines Vermieters als „Terroristen“ und „nazi-ähnlichen braunen Misthaufen“ hat grundsätzlich ein so erhebliches Gewicht, dass sie geeignet ist, eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung jedenfalls nach Abmahnung zu begründen.
2. Auch eine demente und bettlägerige 95-jährige Mieterin hat sich in einem solchen Fall das Verhalten ihres mit ihr in den Räumlichkeiten wohnenden Pflegers und rechtlichen Betreuers zurechnen zu lassen.
3. …

Eventuell ist dann auch nur eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt.

Eine außerordentliche Kündigung wurde nicht als begründet angesehen, weil die Äußerungen im Zustand der Volltrunkenheit getätigt wurden (AG Köln, Urteil vom 3. November 1998, Az. 210 C 148/98). Auch Äußerungen, die auf einer Provokation beruhten oder im Affekt erfolgten, berechtigen ggf. nicht zur außerordentlichen Kündigung. Bei einer solchen Sachlage können selbst Äußerungen, wie „Miststück“ und „Schlampe“, keine fristlose Kündigung nach sich ziehen. Es ist aber ggf. eine Abmahnung und/oder ordentliche Kündigung möglich.

Weiterhin ist zu beachten, dass Äußerungen, die noch Ausdruck wertender Kritik sind, vom Vermieter hingenommen werden müssen. So können im Ergebnis auch Vorwürfe wie „Heuschrecke“ und „Sauverein“ Äußerungen darstellen, die weder eine Abmahnung noch die ordentliche oder die außerordentliche Kündigung rechtfertigen (vgl. LG Lübeck vom 17. Juni 2011, 6 O 133/11):

…
Die Vorwürfe eines kriminellen Handwerks und die Bezeichnung der Verfügungsklägerin als Heuschrecke, die ihre Opfer aussauge, hat der Verfügungsbeklagte im Kontext der oben geschilderten Auseinandersetzung um die Berechtigung der Betriebskostennachforderungen und die Auszahlung der Mietsicherheit getätigt. Er hält diese seine Auseinandersetzung mit der Verfügungsklägerin für beispielhaft und hat sie deswegen mit seinen Wortbeiträgen in den genannten Websites einem größeren Kreis interessierter Leser zugänglich gemacht. Ein Sachbezug ist damit hergestellt.
Auch die Bezeichnung „Sauverein“ stellt in seiner konkreten Verwendung keine Formalbeleidigung dar. Der Verfügungsbeklagte verwendet den Begriff im Zusammenhang mit dem Vorwurf, über längere Zeit bei der Verfügungsklägerin keinen Ansprechpartner gefunden zu haben. Dieser Vorwurf findet seine Entsprechung in dem Vorwurf des Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin bzw. seine vormalige Vermieterin sei außer Stande, eine nachvollziehbare Betriebskostenabrechnung vorzulegen. Im Grunde erhebt er damit den Vorwurf, dass bei seiner vormaligen Vermieterin bzw. der Verfügungsklägerin die Sachbearbeitung nicht ordnungsgemäß ablaufe. Damit ist der ideelle Zusammenhang zum Sprichwort vom „Augiasstall, der ausgemistet werden müsse“ hergestellt. Dieses Sprichwort gründet sich auf eine griechische Sage, derzufolge Herkules als eine seiner Aufgaben den 30 Jahre lang nicht ausgemisteten Rinderstall des Königs Augias reinigen musste und diese „Herkulesaufgabe“ dadurch bewältigte, dass er einen nahegelegenen Fluss durch den Stall leitete, sodass mit der Strömung der angesammelte Dreck fortgespült wurde. In dieser mit dem Sprichwort bezeichneten Idee schwingt eine sachbezogene Kritik mit, die eine Formalbeleidigung entfallen lässt, bei der die Herabsetzung der Würde des anderen im Vordergrund steht.
…

Schließlich ist in die Wertung mit einzubeziehen, ob ein vorangegangenes vertragswidriges Verhalten des Vermieters vorlag, insbesondere, wenn dieses Verhalten das nachfolgende vertragswidrige Verhalten des Mieters provoziert hat (vgl. BGH vom 4. Juni 2014, VIII ZR 289/13, Leitsatz):

In die Würdigung, ob der Vermieter angesichts einer Pflichtverletzung des Mieters ein berechtigtes Interesse (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB) an der Beendigung des Mietvertrages hat oder die Fortsetzung des Mietverhältnisses für ihn unzumutbar ist (§ 543 Abs. 1 BGB), ist ein vorangegangenes vertragswidriges Verhalten des Vermieters einzubeziehen, insbesondere, wenn es das nachfolgende vertragswidrige Verhalten des Mieters provoziert hat.

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