Beleidigungen im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis sind Straftaten und damit zugleich Vertragsverletzungen.
Die Vertragsverletzungen berechtigen allerdings nur dann zur Kündigung, wenn sie so schwer wiegen, dass dem anderen Teil die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Eine Beleidigung muss also eine derart schwerwiegende Vertragsverletzung darstellen, dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Auf den Einzelfall bezogen ist festzustellen, ob die Beleidigung eine fristlose Kündigung gemäß den §§ 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 543, § 569 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 liegt für den Mieter…
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)569 BGB, eine ordentliche Kündigung nach § 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 573 BGB oder nur eine Abmahnung rechtfertigt.
Die ordentliche Kündigung ist die Kündigung mit gesetzlicher Frist. Die ordentliche Kündigung kann nur befristet ausgesprochen werden.
Die außerordentliche Kündigung kann fristlos erfolgen. Die außerordentliche Kündigung setzt einen wichtigen Grund voraus. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
Die Abmahnung ist in der Regel gemäß Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund
(1) …
(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 314 Abs. 2 BGB Voraussetzung für die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen wegen einer Vertragsverletzung.
1. Beleidigungen und Tätlichkeiten gegenüber anderen Mietern
Das Landgericht Coburg führte zu einer Beleidigung gegenüber einem Mitmieter in einem Urteil vom www.iww.de17. November 2008 (32 S 85/08) aus, dass jedenfalls Beleidigungen wie „Fotze“, „russische Schlampe“, „russisches Schwein“, … (zumindest) eine ordentliche Kündigung ohne eine vorherige Abmahnung rechtfertigen können:
[23] Die Zeugen … haben den Vorwurf bestätigt, dass die Beklagte zu 1) grobe diskriminierende Beleidigungen von sich gegeben hat wie Fotze, russische Schlampe, russisches Schwein, ihr (die Mieter russischer Herkunft) seid asozial und sitzt hier auf unsere Kosten, sie (die russischen Mieter) sollen zurück nach Kasachstan. Diese Beleidigungen sind vor und nach der Kündigung gefallen. Das Gericht schließt dies aus der Beweisaufnahme und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung. Diese derben Beleidigungen berechtigten die Klägerin zumindest die ordentliche Kündigung auszusprechen, ohne eine Abmahnung. Im Übrigen ließ sich, das hat die Beweisaufnahme ergeben, die Beklagte zu 1) durch die Vorwürfe in dem Kündigungsschreiben nicht davon abhalten, ihre Beleidigungen fortzusetzen.
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Das Amtsgericht München stellte mit Urteil vom 9. Oktober 2013 (472 C 7153/13) bei einer Beleidigung gegenüber einem Mitmieter fest, dass eine bedrohliche Geste gegenüber einem Mitmieter mit einer Beleidigung eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung begründen kann:
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b) Das Verhalten der Beklagten stellt gleich in mehrfacher Hinsicht eine Vertragsverletzung war. So war der Hund nicht angeleint, was jedoch aus Sicht des Gerichts die geringfügigste Vertragsverletzung darstellt. Eine schwerwiegende Vertragsverletzung ist zum einen die Beleidigung des Zeugen als Rechtsradikalen sowie der Schlag mit dem Stock in Richtung des Kopfes des Zeugen. Wenngleich der Schlag den Zeugen nicht getroffen hat und das Gericht davon ausgeht, dass dies von der Beklagten auch so beabsichtigt war, so handelt es sich doch um eine bedrohliche Geste zum Nachteil eines Mitmieters, der im Nachbarhaus der gleichen Wohnanlage wohnt.
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2. Beleidigungen gegenüber dem Vermieter
Was für Beleidigungen gegenüber einem Mitmieter gilt, gilt auch für Beleidigungen gegenüber dem Vermieter (vgl. z. B. www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.deUrteil des LG Potsdam vom 17. August 2011, 4 S 193/10).
Je nach den Umständen des Einzelfalls kann allerdings eine fristlose Kündigung wegen einer Beleidigung nicht gerechtfertigt sein. Zuvor kann ggf. eine Abmahnung erforderlich sein (vgl. dazu z. B: LG München vom 20. Januar 2016, 14 S 16950/15):
- Die Beleidigung eines Vermieters als „Terroristen“ und „nazi-ähnlichen braunen Misthaufen“ hat grundsätzlich ein so erhebliches Gewicht, dass sie geeignet ist, eine Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung jedenfalls nach Abmahnung zu begründen.
- Auch eine demente und bettlägerige 95-jährige Mieterin hat sich in einem solchen Fall das Verhalten ihres mit ihr in den Räumlichkeiten wohnenden Pflegers und rechtlichen Betreuers zurechnen zu lassen.
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Eventuell ist dann auch nur eine ordentliche Kündigung gerechtfertigt.
Eine außerordentliche Kündigung wurde nicht als begründet angesehen, weil die Äußerungen im Zustand der Volltrunkenheit getätigt wurden (AG Köln, Urteil vom 3. November 1998, Az. 210 C 148/98). Auch Äußerungen, die auf einer Provokation beruhten oder im Affekt erfolgten, berechtigen ggf. nicht zur außerordentlichen Kündigung. Bei einer solchen Sachlage können selbst Äußerungen, wie „Miststück“ und „Schlampe“, keine fristlose Kündigung nach sich ziehen. Es ist aber ggf. eine Abmahnung und/oder ordentliche Kündigung möglich.
Weiterhin ist zu beachten, dass Äußerungen, die noch Ausdruck wertender Kritik sind, vom Vermieter hingenommen werden müssen. So können im Ergebnis auch Vorwürfe wie „Heuschrecke“ und „Sauverein“ Äußerungen darstellen, die weder eine Abmahnung noch die ordentliche oder die außerordentliche Kündigung rechtfertigen (vgl. LG Lübeck vom 17. Juni 2011, 6 O 133/11):
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Die Vorwürfe eines kriminellen Handwerks und die Bezeichnung der Verfügungsklägerin als Heuschrecke, die ihre Opfer aussauge, hat der Verfügungsbeklagte im Kontext der oben geschilderten Auseinandersetzung um die Berechtigung der Betriebskostennachforderungen und die Auszahlung der Mietsicherheit getätigt. Er hält diese seine Auseinandersetzung mit der Verfügungsklägerin für beispielhaft und hat sie deswegen mit seinen Wortbeiträgen in den genannten Websites einem größeren Kreis interessierter Leser zugänglich gemacht. Ein Sachbezug ist damit hergestellt.
Auch die Bezeichnung „Sauverein“ stellt in seiner konkreten Verwendung keine Formalbeleidigung dar. Der Verfügungsbeklagte verwendet den Begriff im Zusammenhang mit dem Vorwurf, über längere Zeit bei der Verfügungsklägerin keinen Ansprechpartner gefunden zu haben. Dieser Vorwurf findet seine Entsprechung in dem Vorwurf des Verfügungsbeklagten, die Verfügungsklägerin bzw. seine vormalige Vermieterin sei außer Stande, eine nachvollziehbare Betriebskostenabrechnung vorzulegen. Im Grunde erhebt er damit den Vorwurf, dass bei seiner vormaligen Vermieterin bzw. der Verfügungsklägerin die Sachbearbeitung nicht ordnungsgemäß ablaufe. Damit ist der ideelle Zusammenhang zum Sprichwort vom „Augiasstall, der ausgemistet werden müsse“ hergestellt. Dieses Sprichwort gründet sich auf eine griechische Sage, der zufolge Herkules als eine seiner Aufgaben den 30 Jahre lang nicht ausgemisteten Rinderstall des Königs Augias reinigen musste und diese „Herkulesaufgabe“ dadurch bewältigte, dass er einen nahegelegenen Fluss durch den Stall leitete, sodass mit der Strömung der angesammelte Dreck fortgespült wurde. In dieser mit dem Sprichwort bezeichneten Idee schwingt eine sachbezogene Kritik mit, die eine Formalbeleidigung entfallen lässt, bei der die Herabsetzung der Würde des anderen im Vordergrund steht.
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Darüber hinaus ist in die Wertung mit einzubeziehen, ob ein vorangegangenes vertragswidriges Verhalten des Vermieters vorlag, insbesondere, wenn dieses Verhalten das nachfolgende vertragswidrige Verhalten des Mieters provoziert hat (vgl. www.juris.bundesgerichtshof.deBGH vom 4. Juni 2014, VIII ZR 289/13):
In die Würdigung, ob der Vermieter angesichts einer Pflichtverletzung des Mieters ein berechtigtes Interesse (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB) an der Beendigung des Mietvertrages hat oder die Fortsetzung des Mietverhältnisses für ihn unzumutbar ist (§ 543 Abs. 1 BGB), ist ein vorangegangenes vertragswidriges Verhalten des Vermieters einzubeziehen, insbesondere, wenn es das nachfolgende vertragswidrige Verhalten des Mieters provoziert hat.
3. wichtiger Grund und Unzumutbarkeit der Fortsetzung
Schließlich wird noch einmal darauf hingewiesen, dass § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Abwägung der beiderseitigen Interessen der Mietvertragsparteien und eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles verlangt.
Zu den zu berücksichtigenden Umständen können – im Einzelfall – auch etwaige Härtegründe auf Seiten des Mieters gehören. Das kann bei der Gesamtabwägung nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Folge haben – was vom Gericht im Einzelfall zu prüfen ist -, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung wegen besonders schwerwiegender persönlicher Härtegründe auf Seiten des Mieters trotz seiner erheblichen Pflichtverletzung nicht vorliegt (vgl. www.juris.bundesgerichtshof.deBGH vom 9. November 2016, VIII ZR 73/16 zu dem o. g. Urteil des LG München vom 16. Januar 2016):
- a) § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt eine Abwägung der beiderseitigen Interessen der Mietvertragsparteien und eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles; hierzu gehören auch etwaige Härtegründe auf Seiten des Mieters (Bestätigung des Senatsurteils vom 8. Dezember 2004 – VIII ZR 218/03, NZM 2005, 300 unter II 3; hier: Besorgnis einer ernsthaften Verschlechterung des Gesundheitszustands einer 97-jährigen, bettlägerigen Mieterin infolge
eines erzwungenen Wechsels der bisherigen häuslichen Umgebung und Pflegesituation).
b) Bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr sind die Gerichte im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gehalten, ihre Entscheidung auch verfassungsrechtlich auf eine tragfähige Grundlage zu stellen und diesen Gefahren bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinreichend Rechnung zu tragen. Das kann bei der Gesamtabwägung nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Folge haben – was vom Gericht im Einzelfall zu prüfen ist -, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung wegen besonders schwerwiegender persönlicher Härtegründe auf Seiten des Mieters trotz seiner erheblichen Pflichtverletzung nicht vorliegt (im Anschluss an Senatsurteil vom 8. Dezember 2004 – VIII ZR 218/03, NZM 2005, 300 unter II 4).
Im Ergebnis kann also die Abwägung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, im Einzelfall auch auf das Vorliegen einer besonderen Härte ausgeweitet werden. Das Vorliegen einer besonderen Härte soll nicht ausschließlich auf das Vollstreckungsverfahren und Prüfungen im Zusammenhang mit § 765 a ZPO Vollstreckungsschutz
(1) Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 765 a ZPO verschoben werden. Allerdings dürfte eine derartige Prüfung im Hinblick auf eine Härte nur dann geboten sein, wenn besonders schwerwiegende persönliche Härtegründe vorliegen. In der Regel dürfte allerdings die Prüfung, ob ein „Härtefall“ gemäß der Sozialklausel in § 574 Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung
(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung…
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 574 BGB vorliegt, bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung ausgeschlossen sein.
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