Rechtsanwalt und Mietrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

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Duldungspflichten von Mietern – „Bolzplatzentscheidung“ des BGH

2. Februar 2016, aktualisiert am 25. Januar 2021 | Kommentar schreiben

Urteil unter Lupe

Duldungspflichten von Mietern - „Bolzplatzentscheidung“ des BGH 1Nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen grundsätzlich keinen gemäß § 536 Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln
 
(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, …
 
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB
zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 Zuführung unwägbarer Stoffe
 
(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, …
 
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 906 BGB
als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss (vgl. Leitsatz c) des Urteils des Bild: zum Urteilwww.juris.bundesgerichtshof.deBGH vom 29. April 2015, VIII ZR 197/14):

Urteil des BGH vom 29. April 2015, VIII ZR 197/14, Seite 21, Rdnrn. 41 f.

[41] … Zwar trifft einen Vermieter – und zwar unabhängig von etwaigen eigenen Abwehrmöglichkeiten des Mieters – im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich auch die Pflicht, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten und zu diesem Zweck gegen den Störer jedenfalls im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vorzugehen (…). Hierbei wären aber zugleich die Gegebenheiten des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses und die in § 906 BGB konkretisierten Duldungspflichten sowie die daraus abgeleiteten Abwehr- und Ausgleichsmöglichkeiten zu bedenken gewesen, die auch bei Immissionen einer – wie hier – hoheitlich betriebenen Anlage den Maßstab bilden (…).

[42] Dass die Parteien vor diesem Hintergrund davon ausgegangen wären, die Kläger hätten den ursprünglich bestehenden Immissionsstandard ungeachtet etwa nach § 906 BGB bestehender Duldungspflichten unverändert gewährleisten sollen, kann redlicherweise nicht angenommen werden. Denn damit hätten die Beklagten ihnen eine Erhaltungspflicht abverlangt, deren Erfüllung gemäß § 275 Abs. 1, 2 BGB tatsächlich oder jedenfalls wirtschaftlich unmöglich gewesen wäre. Dass sich die Kläger hierauf eingelassen hätten oder billigerweise hätten einlassen müssen, liegt fern. Vielmehr hätten sich die Parteien nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) darauf verständigt, die Störung durch Geräuschimmissionen Dritter nur dann als Mangel der Mietwohnung anzusehen, wenn die Kläger selbst diese Immissionen gemäß § 906 BGB nicht oder jedenfalls nicht entschädigungslos dulden müssten. Im Falle einer Duldungspflicht gegen Entschädigung wäre diese Verständigung dahin gegangen, dass sich ein dann gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB bestehender Ausgleichsanspruch in einer adäquaten Minderung der vereinbarten Miete hätte niederschlagen müssen.
[43] …

Kurz zusammengefasst soll der Mieter also das dulden, was der Eigentümer entschädigungslos hinnehmen muss (bzw. der Mieter muss das nicht dulden, was der Eigentümer nicht gemäß § 906 BGB entschädigungslos hinnehmen muss).

Mit der Bolzplatzentscheidung hat der BGH jetzt klargestellt, dass bei Lärmbelästigungen zwischen Kinderspielplätzen auf der einen sowie Bolzplätzen und Skateranlagen auf der anderen Seite zu unterscheiden ist. Der Lärm, der von Kinderspielplätzen ausgeht, ist als sozialadäquat hinzunehmen. Der Lärm ist gemäß§ 22 Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen
 
(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen …
 
(Link: www.gesetze-im-internet.de vom Bundesministerium der Justiz)
§ 22 Abs. 1 a Bundesimmissionsschutzgesetz
privilegiert. Dies gilt nicht für Bolzplätze und Skateranlagen. Es richtet sich nach § 906 BGB, ob der Mieter entsprechend § 906 BGB zur Duldung verpflichtet ist.

aber:

Urteil des LG Berlin vom 7. Juni 2017, 18 S 211/17

Das Minderungsrecht des Wohnraummieters wegen von einer benachbarten Großbaustelle ausgehender Störungen hängt nicht davon ab, ob dem Vermieter gegen den die Großbaustelle betreibenden Grundstücksnachbarn Ansprüche aus § 906 BGB zustehen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Vermieter bei Abschluss des Mietvertrages um die Bauabsichten des Grundstücksnachbarn wusste, er den Mieter über die bevorstehenden Baumaßnahmen aber nicht informierte (Abgrenzung zur „Bolzplatzentscheidung“ BGH, Urteil vom 29. April 2015, VIII ZR 197/14, BGHZ 205, 177 ff. = GE 2015, 849).

Steht fest, dass von einer benachbarten Großbaustelle störende Immissionen erheblichen Ausmaßes ausgehen, so hat der Vermieter darzulegen und zu beweisen, dass nach dem im Sinne der „Bolzplatzentscheidung“ heranzuziehenden Maßstab des § 906 BGB lediglich eine entschädigungslos hinzunehmende unwesentliche Beeinträchtigungen vorliege (Anschluss LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016, 31 S 20691/14, GE 2017, 356).

 

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